Rätsel gelöst: Wetterbedingungen waren Schuld am Massensterben von Saigas
Innerhalb von nur wenigen Wochen waren rund 200.000 Saigas während der Kalbungszeit in der zentralkasachischen Steppe qualvoll verendet.

Im Mai 2015 hatte ein mysteriöses Massensterben von Saiga-Antilopen in Kasachstan Wissenschaftler weltweit vor ein Rätsel gestellt – und Naturschützer vor einen katastrophalen Rückschlag beim Schutz der Art. Innerhalb von nur wenigen Wochen waren rund 200.000 Saigas während der Kalbungszeit in der zentralkasachischen Steppe qualvoll verendet. Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern versuchten seitdem, die Ursache des ungewöhnlichen Massensterbens herauszufinden. Ein am 17. Januar in „Science Advances“ veröffentlichtes Paper präsentiert Ergebnisse, die zeigen, dass eine ungünstige Kombination von an sich harmlosen Faktoren, allen voran klimatische Faktoren, der Wegbereiter für eine Bakterieninfektion war, die das Massensterben auslöste.
„Die jetzt vorliegenden Ergebnisse lösen nicht nur ein Rätsel, sondern helfen uns auch hoffentlich, den Schutz der Saigas zu verbessern“, sagt Steffen Zuther, der als Projektleiter der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt vor Ort die Untersuchungen maßgeblich koordiniert hatte und Mitautor der Publikation ist.
Den eigentlichen Verursacher des Massensterbens hatten die Wissenschaftler, die vor Ort Proben der toten Tiere genommen hatten, bald identifiziert: das Bakterium Pasteurella multocida. Es hatte eine sogenannte hämorrhagische Septikämie, ausgelöst. Das heißt, das Bakterium produziert ein Gift, das extrem schnell die Organe der Tiere angreift, sodass diese qualvoll und innerhalb weniger Stunden sterben. Das Bakterium kommt jedoch natürlicherweise in den Atemwegen der Saigas vor. Was also war der eigentliche Auslöser, der aus dem bis dato harmlosen Bakterium einen derartigen Killer machte?
Temperaturanstieg erhöht das Risiko
Durch die Auswertung früherer Saiga-Massensterben (u. a. 2015 und zweimal in den 80er-Jahren) konnten die Forscher zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Massensterbens bei feuchtem und warmem Wetter zunimmt und dass es meist während der Kalbungszeit auftritt.
Häufigere Massensterben?

Neben potenziell steigenden Temperaturen setzt auch Wilderei der Art zu. Die zunehmende Entwicklung von Infrastruktur (Eisenbahnen, Straßen und Zäune), die den Lebensraum der Saigas zerschneidet, beeinträchtigt die Wanderungen und erhöht ebenfalls den Druck auf die Tiere.
„In Anbetracht all dieser Bedrohungen ist es denkbar, dass ein erneutes Massensterben die Saiga-Population auf ein Niveau dezimieren könnte, von dem aus eine Erholung der Art unmöglich wird. Nur wenn wir auf lange Sicht große Bestände haben, kann die Saiga Antilope auf Dauer überleben“, sagt Steffen Zuther.
Sehr spezielle Biologie
Eine Fortpflanzungsstrategie, die zwar in der speziellen Umwelt dieser Tiere erforderlich ist, die aber auch sehr risikoreich ist, denn die Weibchen sind während der Kalbung extrem gestresst, geschwächt und somit anfällig für Infektionen.
Hintergrund
Zoologische Gesellschaft Frankfurt
Seit mehr als zehn Jahren arbeitet die ZGF gemeinsam mit Partnern in Kasachstan sowie aus England an der Erhaltung der großen Steppengebiete und am Schutz der Saigas, die einst in großen Herden durch die weiten Landschaften im Zentrum Kasachstans wanderten.
In enger Kooperation mit den kasachischen Naturschutzbehörden sind im Laufe der letzten Jahre viele neue Schutzgebiete entstanden und zusätzliche Rangereinheiten aufgebaut und ausgerüstet worden, was zu einer Erholung der Saigabestände geführt hat. Die ZGF wird sich auch in den kommenden Jahren beim Schutz der Saiga engagieren. Das Saiga- und Steppenschutzprogramm ist eines ihrer größten Projekte in Europa.
Die Saiga-Antilope (saiga tartarica)
Publikation
Veröffentlicht in Science Advances, 17. Januar 2018
Autoren: Richard Kock, Mukhit Orynbayaev, Sarah Robinson, Steffen Zuther, Navinder Singh, Wendy Beauvais, Eric Morgan, Aslan Kerimbayev, Sergei Khomenko, Henny Martineau, Rashida Rystaeva, Zamira Omarova, Sara Wolfs, Florent Hawotte, Julien Radoux, E.J. Milner-Gulland
Projektinformation
Ansprechpartner für Medien
Dagmar Andres-Brümmer, ZGF Kommunikation
Tel. 069 94344611 / E-Mail: andres-bruemmer@zgf.de