Im Dunkeln stochern

24.07.2023, Julio Monzón

Unser Kollege Julio Monzón hat im peruanischen Regenwald zur Diversität von Insekten geforscht. Sein Fokus lag bei der Ordnung der Lepidoptera, die sowohl alle Tagfalterarten als auch, in noch größerer Vielfalt, alle Nachtfalterarten enthält.

Bei der Insektenforschung, der Entomologie, macht es oft Sinn, sich wegen der großen Artenvielfalt auf eine Gruppe zu beschränken. Gerade bei den Tag- und Nachtfaltern. Denn mit ca. 180.000 Arten sind sie die Ordnung mit den zweitmeisten beschriebenen Tierarten – nach den Käfern mit ca. 400.000 Arten. Besonders im Amazonasregenwald kommt man schnell an seine Grenzen, denn dort sind nicht nur die Artenzahlen überwältigend, sondern von vielen Arten findet man nur wenige Individuen, in den meisten Fällen nur ein einziges Individuum. Zudem gibt es für viele keine taxonomische Beschreibung, keine Namen.

In zwei Quadratkilometern im peruanischen Regenwald leben mehr als 400 Arten an Bärenspinnern. In ganz Europa kommen etwa 100 Arten vor.

Dr. Julio Monzón, Program Officer Kolumbien und Peru

In meiner Studie habe ich eine Gruppe der Arctiinae untersucht, auf Deutsch die Bärenspinner. Diese Gruppe ist in Europa mit etwas mehr als 100 Arten vertreten. In der Neotropis, also in Süd- und Zentralamerika, findet man die größte Artenvielfalt dieser Gruppe mit mehr als 6.000 Arten. An der Forschungsstation Panguana im peruanischen Regenwald konnte ich mehr als 400 Arten nachweisen, in einem Untersuchungsareal, das nicht größer als zwei Quadratkilometer war. Es lag an der langen Untersuchungszeit von etwa einem Jahr und den angewandten Methoden, dass so viele Arten registriert werden konnten.

Wie die Motten ums Licht

Die Methode der Wahl bei der Forschung an Nachtfaltern ist der Lichtfang. Schon eine ausreichend starke künstliche Lichtquelle zieht viele Insekten an, hierzulande genauso wie in den tropischen Habitaten. Um jede leuchtende Lampe im Regenwald entsteht schnell ein Fest der Insektendiversität. Insektenforscher bedienen sich dieser Methode für die Erforschung unterschiedlicher Gruppen – Nachtfalter, Käfer, Zikaden und viele andere. Wie und warum Insekten von Licht angezogen werden, ist bisher aber leider noch immer nicht richtig verstanden.

Aber nicht alle Nachtfalter werden von Licht angezogen und es gibt einen gewissen Anteil von Arten, der nicht mittels Lichtfang erfasst werden kann. Wie hoch diese Dunkelziffer ist, habe ich durch den Einsatz einer zusätzlichen Fangmethode für die neotropischen Bärenspinner herausbekommen können. Viele neotropische Bärenspinner sammeln bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, sogenannte Pyrrolizidinalkaloide (PA) und schützen sich mit ihnen vor Fressfeinden. Mit PA-produzierenden Pflanzen als Köder können sie angelockt und gesammelt werden, darunter auch mehrere tagaktive Nachtfalter.

Bärenspinner in Peru © Julio Monzón

Eine von sieben Arten der neotropischen Bärenspinner konnte nicht durch Lichtfang erfasst werden, dafür aber mit PA-Ködern. Das macht 15 Prozent der Bärenspinnerarten aus. Die meisten von ihnen sind bei Biodiversitätsschätzungen also unberücksichtigt, weil das Ködern mit PA sehr selten angewandt wird und diese Arten in Museumssammlungen nicht oder sehr selten zu finden sind. Daher sind auch viele taxonomisch noch nicht beschrieben. Zusammen mit anderen Bärenspinner-Forschern konnte ich eine neue Art beschreiben (Vanewrightia kiesela) und weitere Neubeschreibungen sind in Bearbeitung.

Die Zeit läuft uns davon

Es gibt in den Tropen und besonders im Amazonasregenwald für die Insektenkunde noch vieles zu erforschen, um ein immer genaueres Bild von der Artenvielfalt zu bekommen, z. B. alternative Erhebungsmethoden zu entwickeln und im größeren Umfang einzusetzen, die Artenvielfalt in unterschiedlichen Vegetationsschichten zu untersuchen oder mehrere Jahreszeiten mit längeren Untersuchungszeiten zu berücksichtigen.

Doch die Zeit läuft uns davon, denn die Habitate verschwinden rasant, gerade in Amazonien, wo auch die ZGF-Projekte zum Schutz großer Nationalparks und umliegender Schutzgebiete beitragen. Diese Habitate sind das Zuhause einer hohen Anzahl an Wirbeltieren – Vögeln, Säugetieren, Reptilien, Amphibien und Fischen –, aber noch mehr, und hoffentlich noch lange, von unzähligen Insekten und anderen wirbellosen Tieren.

Dr. Julio Monzón hat in Forstwissenschaft promoviert und arbeitet als Program Officer Kolumbien und Peru im ZGF-Südamerika-Referat in Frankfurt.

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