Christof Schenck und Markus Borner waren über drei Jahrzehnte lang nicht nur der Geschäftsführer und sein Afrika-Direktor. Die beiden verband eine lange Freundschaft und die gleiche Leidenschaft: Naturschutz und die Vision, die ZGF größer aufzustellen.

Der Berufsoptimist, der die dunklen Wolken kommen sah
Eine Würdigung von Dr. Christof Schenck
Es war im Mai 2003. Die ersten fünf Nashörner aus Südafrika waren in der Wildnis des North-Luangwa-Nationalparks angekommen, nach Jahren der Vorbereitung. Sie waren die Hoffnungsträger für eine neue Population in Sambia. Dort wo einst Tausende der Kolosse Savannen und Buschland besiedelt hatten und über Millionen von Jahren Gestalter der Wildnis waren. Nicht ein einziges Tier hatte die Gier der Wilderer nach Nasenhorn und Fleisch überlebt. Jetzt war Wiedergutmachung angesagt. An den Tieren, der Natur, für die Menschen.

Tierärzte, Projektleiter, die Crew der riesigen Transportmaschine, Journalisten und Politiker liefen durcheinander. Der Komponist und Konzertmeister dieses gigantischen Nashorn-Wiederansiedlungsprojektes stand etwas im Abseits und beobachtete die Szenerie. Sieben Jahre zuvor hatte Markus Borner das North-Luangwa-Projekt der ZGF aus einer schweren Krise herausgeführt. Mit Hugo und Elsabé van der Westhuizen setzte er auf zwei junge Südafrikaner als Projektleiter. Wildnis zu erhalten – und zwar im vollständigen Set-up – stand ganz oben auf seiner Agenda und für Nashörner begeisterte er sich ohnehin seit den lange zurückliegenden Uni-Zeiten. Damals hatte er sogar seine Doktorarbeit über Nashörner geschrieben. Sumatra-Nashörner um genau zu sein. Ihnen hatte er in den einst noch ausgedehnten Regenwäldern Indonesiens nachgestellt und war lange Zeit stolz darauf, dass er eine Doktorarbeit verfasst hatte, obwohl er seine Studienobjekte nur wenige Minuten zu Gesicht bekommen hatte.
Im North-Luangwa-Nationalpark war jetzt ein Meilenstein erreicht worden. Wenige Stunden später, als die Nashörner im Eingewöhnungsgehege verstaut waren, wurde Markus vermisst. Journalisten brauchten noch Zitate von ihm, Politiker wollten ihn sprechen. Als man ihn suchen ging, dröhnte seine einmotorige, zebragestreifte Cessna im Tiefflug über die kleine Menschenmenge. Mit einer raschen Kippbewegung gingen die Flügel auf und ab. Markus hatte sich aus dem Staub gemacht und winkte zum Abschied. Die Nashörner waren in North Luangwa. Das Etappenziel war erreicht. Auf zum nächsten. Typisch Markus.
Wenn man als Biologe und Naturschützer seine Lebenszeit in den Dienst der Sache stellt, also dazu beitragen will, faszinierende Naturschätze zu erhalten und Ökosysteme zu stabilisieren, dann ist Markus darin sehr konsequent gewesen. Da ein normaler Achtstundentag für seine Herkulesaufgaben viel zu kurz war, wurden Arbeit und Freizeit für ihn meist Eins. Ja, sogar in seinem sozialen Umfeld gab es da keine echten Grenzen. Zum Ausgleich setzte er auf Gaumenfreunden und: Natur! An spektakulären Landschaften und Tieren konnte er sich nicht sattsehen. Dabei lebte er ja mit vielen ohnehin auf Tuchfühlung. Hyänen auf der Veranda, Leoparden auf dem Dach, Elefanten im Vorgarten. Löwen am Büroeingang. Sein Zuhause und sein Arbeitsplatz lagen inmitten der Serengeti. Das bedeute aber auch, dass der nächste Arzt oder Supermarkt mehr als 300 Kilometer entfernt waren und man an Kulturevents nicht zu denken brauchte. Für Markus kein Problem. Schließlich gab es Gefriertruhen, die Cessna und einen Opernbesuch konnte man ja auch mal in mit einer Dienstreise nach Frankfurt verbinden.

Dieses Mittendrin, die jahrzehntelange Erfahrung, Hartnäckigkeit, das Festhalten am Bewährten und doch eine fast jugendliche Neugier und Innovationsfreude – all das vereinte Markus zu einer seltenen Mischung. Krisen waren für ihn nie ein Grund zum Aufgeben. Im Gegenteil. Seine Devise war: Jetzt erst recht. Vielleicht half ihm dabei sein Nebenjob als Buschpilot. So konnte es durchaus sein, dass er nach vier Stunden Flug wegen einer breiten Gewitterfront umdrehen musste. Egal wie wichtig das Treffen am Zielort war, Markus flog zurück, ohne Ärger im Bauch. Und starte sobald wie möglich von neuem.

Afrikanischen Beamten, seinen Mitarbeitern oder einfachen Viehhirten – er begegnete allen auf Augenhöhe. Für Zynismus war kein Platz, auch nicht zwischen den Zeilen. Für ihn war früh klar: Für erfolgreichen Naturschutz braucht es nicht nur die richtige Gebietsauswahl, den richtigen Plan und ausreichend Mittel. Es braucht vor allem die richtigen Akteure, die Macher vor Ort, und es braucht die richtige Organisation im Hintergrund. Für beides engagierte er sich mit aller Kraft. Dabei setzte er auch auf „early careers“, Menschen am Beginn der Laufbahn oder solche mit unkonventionellen Lebensläufen. Ihnen war er Chancengeber und belohnt wurde er oft mit hochkarätigen Naturschützern im Team.
Leben mit Hyänen auf der Veranda, Leoparden auf dem Dach, Elefanten im Vorgarten hieß auch: Der nächste Arzt oder Supermarkt waren mehr als 300 Kilometer entfernt.
An Träumen und Visionen mangelte es ihm nicht: Bei Kriegsende Berggorillas im Kongo schützen, große private Geber für Millioneninvestitionen gewinnen, einen ZGF-Ableger in den USA aufbauen, Wildhunde in Tansania retten, Schuhschnabel-Land zum Nationalpark ausweisen, einen großen Hollywood-Film anzetteln – zu Grzimek, Nyerere und der Serengeti. Bis auf Letzteres wurde alles Realität. Und ein Film kann ja immer noch entstehen.
In vielen Ländern Afrikas hat Markus Borner Naturschutzspuren hinterlassen, zum Beispiel in Kenia, Tansania, Uganda, Kongo, Malawi, Äthiopien, Sambia und Simbabwe. Große Sorge bereitete ihm jedoch in den letzten Monaten die Entwicklung in seinem Quasi-Heimatland Tansania: Vornean der Staudammbau im Selous und der Massentourismus in der Serengeti. Beim Klimawandel und Biodiversitätsverlust war ihm klar, dass wir erst am Anfang einer womöglich sehr tragischen Entwicklung stehen – wenn der Menschheit nicht doch noch die große Transformation gelingt. Markus Borner, der Berufsoptimist, sah die dunklen Wolken. Sumatra, dort wo er sich einst monatelang durch blutegelreiche, feuchte Regenwälder gequält hatte, um Nashörner zu finden, dorthin wollte er nie zurück. Zu schockierend meinte er, wäre der Anblick des gigantischen Verlustes und die Umwandlung der so reichhaltigen Wälder in Palmölplantagen. Aber die wachsende Nashornpopulation in North Luangwa, die gab ihm Hoffnung.