Gorilla Magazin | Naturschutz für uns Menschen | August 2019

Im Heft: Naturschutz für uns Menschen; Lomami unser neues Engagement im Kongo; Guyana: Erstes indigenes Schutzgebiet

19.08.2019, Kasia Rabel

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitglieder und Freunde,

Es war ein Fehler, auf die Knie- und Schienbeinschützer zu verzichten. Auf dem armbreiten Urwaldpfad klatschten die Äste im Stakkato gegen die Beine der Motorradbesatzung. Mehr als sechs Stunden ging das jetzt schon so. Die Anreise zum Lomami-Nationalpark, dem jüngsten Großschutzgebiet der Demokratischen Republik Kongo war definitiv kein Zuckerschlecken. Aber ein detaillierter Vor-Ort-Besuch ist nun mal entscheidend für unser mögliches Engagement in einem neuen Projektgebiet. Also reiste ich 2017 nach Lomami.

Von der Hauptstadt Kinshasa aus waren wir im Flugzeug mehr als tausend Kilometer gen Osten nach Kindu gereist. Eine Alternative auf dem Landweg gab es nicht. Gerade mal 1.000 Kilometer akzeptabler Asphaltstraßen gibt es in dem riesigen Land, das mehr als sechs Mal so groß ist wie Deutschland – mit seinen 650.000 Straßenkilometern. Von Kindu aus ging es per Motorrad einen Tag lang nach Westen, bis dann die Pfade auch für die Zweiräder zu unwegsam wurden. Weitere zwei Tage zu Fuß, durch heiße Savannen und dichte Wälder, über Bäche und durch Sumpfgebiete bis wir dann den namesgebenden Lomami-Fluss erreichten.

Die weitere Durchquerung des Parks per Boot für die nächsten fünf Tage war im Vergleich zur Anreise geradezu komfortabel. 8.874 Quadratkilometer Waldwildnis im Herzen Afrikas. Viermal so groß wie alle 16 Nationalparks in Deutschland zusammen. Warum sollte sich die ZGF zukünftig für dieses Schutzgebiet im Nirgendwo engagieren? Nie zuvor in der Menschheitsgeschichte stand es so schlecht um unsere Lebensgrundlage. Der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt bedrohen ganze Ökosysteme. Extreme Wetterereignisse gefährden Ernten und Infrastruktur.

Alle zehn Minuten stirbt eine Tier- oder Pflanzenart aus. Katastrophen, Kriege und Migration werden deutlich zunehmen – wenn nicht ein grundlegender Wandel gelingt bei Extraktion, Produktion und Konsum, beim Ausstoß klimaschädlicher Gase und beim Verbrauch von Land und Boden. Fundamental ist dabei die Erhaltung von Primärwäldern als Kohlenstoffspeicher und Zentren der Biodiversität. Die größten Regenwälder der Erde finden wir in den Becken der Megaflüsse Amazonas und Kongo. Das alleine ist Grund genug, sich dort für jeden Quadratmeter einzusetzen.

Lomami ist die Heimat neuentdeckter Arten. Hinzu gesellen sich Okapis, Waldelefanten und Bonobos. Allesamt endemische Arten für Zentralafrika. Diese Arten und Hundertausende weitere gehören zum Erbe, das wir kommenden Generationen nicht vorenthalten dürfen. Und längst ist klar: Die heute lebenden Arten sind Bestandteile von komplexen und dynamischen Ökosystemen, von deren Leistungen wir abhängen. Für den Planeten Erde ist es unerheblich, ob sich zukünftig noch Lesula-Affen durchs Blätterdach von Lomami hangeln.

Warm- und Eiszeiten wechselten sich ab, kosmische Katastrophen oder gigantische Vulkanausbrüche verursachten Massensterben, neue Arten und Ökosysteme entwickelten sich in Millionen von Jahren. Uns Menschen dagegen gibt es erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Wir haben uns an Bedingungen angepasst, die wir jetzt massiv verändern. Wenn es die Kongowälder und ihre Bewohner nicht mehr gibt, dann entfällt auch ein gigantischer Klima- und Wassermotor inmitten Afrikas – mit fatalen Auswirkungen für die Menschen. Umgekehrt heißt das: Naturschutz ist Menschenschutz. Lomami lehrt uns genau dies.

 

Herzlichst, Ihr
Christof Schenck

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